Ich war einmal auf einem Seminar im Ausland. Da war diese junge Frau, sie hieß Tanja und sie war schier unsichtbar.Ich habe keine Umfrage gemacht, aber ich bin überzeugt davon, dass kaum einer von den 100 Leuten im Raum sie wahrgenommen hat. Keiner wusste, wer sie ist, was sie macht, wie sie heißt, noch warum sie hier ist.
Ich habe sie sofort bemerkt, weil sie mich an die alte Anna erinnerte und weil ich die Maschen und Tricks kenne, die man benutzt um sich vor anderen zu verstecken. Ich kenne das so gut, dass ich wie ein Trüffelschwein darauf reagiere.
Ich habe sie beobachtet: Wie sie unsicher umherlief, alleine war und immer fluchtartig den Raum verließ, aus Sorge vor Small Talk. Ich konnte die Furcht in ihren Augen sehen und die Unsicherheit riechen. Warum? Weil ich das alles bis in den letzten Winkel kenne!
In der Regel sind diese Frauen extrem sensibel, weich und sehr feinfühlig. Sie sind oft unsicher, schüchtern und halten sich gerne bedeckt. Sie haben Angst, jemand könnte sie wirklich sehen und erkennen, so wie sie sind.
Es fasziniert mich und es macht mich gleichzeitig traurig.
Denn es ist nicht schön alleine zu sein und sich anders zu fühlen. Es ist nicht schön, dazustehen und sich permanent unsicher sein fühlen.
Sich in der Gemeinschaft nicht wohlzufühlen und vor Menschen zu flüchten, weil man denkt, man gehört nicht dazu, weil man irgendwie anders ist und sich falsch fühlt.
Es geht unglaublich vielen Frauen so!
Ich weiß das, denn ich habe diese Frauen akribisch studiert.
Ich habe mich 1,5 Jahre lang intensiv mit dem Thema Frauen und ihrer Sichtbarkeit auseinandergesetzt und im Grunde eine Studie daraus gemacht.
Ich habe mit Dutzenden Frauen gesprochen und sie zu ihrer persönlichen Sichtbarkeit befragt. Ich wollte wissen, ob das nur bei mir damals so war oder ob bei diesen Frauen parallel die gleichen Programme ablaufen?
Und das Ergebnis war eindeutig! Es ist fast überall das Gleiche! All diese Frauen erzählen sich im Grunde dieselben Geschichten. Die Geschichten gehen etwa so:
Die anderen sind besser als ich. Sie sind lustiger, beliebter, cleverer, hübscher, jünger und schlanker, als ich. Im Vergleich zu den anderen bin ich lächerlich, deswegen verstecke ich mich.
Ich bin nicht gut genug, deswegen halte ich mich bedeckt und versuche nicht aufzufallen.
Ich habe Angst davor, kritisiert und ausgegrenzt zu werden, deswegen zeige ich nicht, wer ich wirklich bin.
Was sollen die Anderen von mir denken, wenn ich plötzlich etwas ändere?
Das, was ich leiste, ist nicht gut/besonders genug und deswegen kann ich nicht mein Wort erheben.
Ich weiß nicht genug, ich muss mehr lernen bevor ich es mir erlauben kann aufzustehen und meinen Weg zu gehen.
Was glaube ich, wer ich bin, wenn ich mein Ding mache — das ist egoistisch!
Ich darf mich erst zeigen, wenn ich perfekt genug bin, nicht vorher.
Ich verdiene erst mehr Aufmerksamkeit, wenn ich auch mehr leiste.
All diesen Bullshit erzählen sich Frauen Tag für Tag. Natürlich nicht in der Öffentlichkeit, sondern in ihren stillen Kämmerlein gehen sie permanent Tag für Tag so hart mit sich um!
Ich will Frauen verbinden und zueinander führen. Ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind, denn es gibt so viele die genau so sind. Sie ermutigen ehrlich und authentisch zu sein, vor allem zu sich selbst!
Ich möchte sie dabei unterstützen, sich besser kennenzulernen, sich lieben zu lernen und dann hinauszugehen, damit sie erkennen, wer sie wirklich sind. Das sie ihre Ecken, Kanten und vermeintliche Schatten mit Stolz tragen und offen darüber sprechen und damit anderen Frauen automatisch die Erlaubnis geben, es ihnen gleich zu tun.
Das sie ihre Zartheit und ihren Mut gleichermaßen lieben lernen und verstehen, dass diese Zartheit ein Riesen-Geschenk ist! Das sie ihre Größe und ihre Unsicherheiten wohlwollend annehmen und sich dadurch von ihren Grenzen und alten Denkmustern befreien können.
Denn nur wenn wir anfangen darüber zu sprechen, können wir auf Resonanz stoßen.
Nur wenn wir uns zeigen, können wir Frauen erreichen, denen es genauso geht.
Nur wenn wir darüber sprechen, können wir gehört werden, uns verbinden, in Kontakt treten und gemeinsam Großes erreichen.
Ich verlasse seit 1,5 Jahren täglich meine Komfortzone für diese Vision von Freiheit.
Ich will ein Vorbild sein für meine Kinder, die nächste Generation. Wenn wir uns nicht befreien von unseren Grenzen, Denkmustern und alten Geschichten, geben wir es genauso an die nächste Generation weiter.
Wenn wir in diesem Leben lernen uns ganz zu lieben und uns anzunehmen, als die Individuen, die wir sind, machen wir die Welt ein Stück weit besser.
Ich gehe dafür. Kommst du mit?